Theorien zum Leichtbau

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Moderator: Uwe

Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #1Beitragvon MartinRheine » 26.01.2014, 15:09


Hallo zusammen !

Für mein aktuelles Projekt habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, Verbesserungsmaßnahmen zu bewerten. Bringt es etwas, überall dran herumzudremeln, um noch das letzte Gramm rauszuschinden ? Ist es egal, ob ein kleines Teil 1Gramm mehr oder weniger wiegt ?

Meine Überlegung: Eine Gewichtseinsparung kann entweder helfen, die Verdrängung und damit die benetzte Fläche zu reduzieren oder sie kann in das Bleigewicht gesteckt werden und damit das Aufrichtende Moment vergrößern. Das mit dem Aufrichtenden Moment habe ich weiter untersucht.

Wenn ich an einem Bauteil Gewicht X spare, dann verändert sich das aufrichtende Moment um Gewicht X* Hebelweg des Bauteils und zusätzlich um Gewicht X * Hebelweg der nun vergrößerten Bleibombe.

Welche Effekte dies ergibt, habe ich in einer Tabelle zusammengefasst. (Der Berechnung liegt eine theoretische Neigung des Bootes von 90° zugrunde, bei realistischen 30° wären die Momente beispielsweise halb so groß)
Berechnungen 2014-01-26.JPG


Mein Fazit daraus wäre: Das Aufrichtende Moment kann mit realistischen Aufwand um ca. 25% vergrößert werden.
Hauptposten sind
1. Der Akku mit über 9%
2. Der Rumpf mit 7%
3. Mast / Rigg mit 5% allein durch Mast.

Insgesamt sollte sicher jedes Bauteil daraufhin geprüft werden, wieviel im Verhältnis zum Gewicht des Bauteils eingespart werden kann. Wenn ich alle 2g leichten Teile auf 1g bringe, ist dies 50% für das Gesamtgewicht dieser Teile...

Liege ich mit dieser Betrachtung halbwegs richtig ? Passen die angenommenen Werte oder gibt es noch leichtere Konstruktionen, praxiserporbt und bezahlbar ? Wenn ich die Krängungsstabilität nun um 25% erhöhen könnte, wie viel schneller wäre das Boot dann überhaupt?

Würde mich sehr über Informationen und Diskussion freuen, nicht dass ich hier Halbwahrheiten verbreite.

Viele Grüße,
Martin.
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Re: Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #2Beitragvon arjan » 26.01.2014, 15:42


Hallo Martin,

Die Tabelle "verbesserung" mit werten verstehe ich nicht ganz...
jedenfalls nicht wie du zu dem Werten Aufrichtendes moment kommst.
Wenn ich die Werte multipliziere und zusammen zähle komm ich zu einem anderen Ergebnis
arjan
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Re: Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #3Beitragvon MartinRheine » 26.01.2014, 16:14


Moin Arjan !

Die Formel hätte ich vielleicht dazuschreiben sollen. Ich habe so gerechnet:

Aufrichtendes Moment (verbessert) =

Gewicht (verbessert) * Hebel (verbessert) + Gewichtseinsparung * Hebelarm Bleibombe

Am Beispiel Akku:

48g * 2cm + 52g * 27cm
= 0,96Ncm (Akku) + 14,04Ncm (zusätzl. Blei) = 15,0 Ncm

Allerdings habe ich mich mit den 27cm vertan, als Hebelarm Blei steht ja 28cm in der Tabelle. Wird noch korrigiert - die Ergebnisse ändern sich dadurch aber nicht wesentlich.

Gruß,
Martin.

Edit: Geänderte Datei habe ich angehängt.
Dateianhänge
Berechnungen Fatnekst 2014-01-26neu.xls
(15 KiB) 433-mal heruntergeladen
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Re: Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #4Beitragvon Arne » 26.01.2014, 17:12


Hallo Martin,

einige Werte erscheinen mir nicht ganz passend.
Rumpf mit Deck, ich zähle die erforderlichen Einbauten dazu, wirst du kaum auf 60g drücken können. Wenn du einen Vergleich anstellen willst würde ich mit 150g und optimiert mit 100g rechnen.
Am Akku wirst du nicht viel sparen können. 50 - 55g ist ein Standardwert (AAA-Zellen, LiPo, etc.), 100g in meinen Augen zu hoch gegriffen.
Anhänge sind Ruderblatt und Kielfinne. Mit 30g gehst du da recht optimistisch ran. Standard dürfte für die Finne um die 45 g, für das Ruderblatt um die 12-15 g sein. Optimiert kannst du bei 30g und 8-10g landen.
Einen Skyshark 2P würde ich nicht fahren. Der ist zu weich und zu kurz. Vom Gewicht optimal ist ein 7x6 mm CFK-Rohr. Das Gewicht liegt glaube ich bei 12-14g. Dazu kommt noch die Lageraufnhme mit 6mm Durchmesser.
Das Bleigewicht kannst du auch mit 600 - 650 g annehmen (ich weiß, es werden auch 700 - 750g Gewichte gefahren), das würde das Ergbnis ändern, führt aber eher in die richtige Richtung.
Servos mit 28 und 8 g sind realistisch. Wenn du von Standarservos ausgehst könntest du für beide Servos von 60g ausgehen...

Prinzipiell ist es in meinen Augen immer gut alles so leicht wie möglich zu bauen und den Gewichtsvorteil z.B. in das Blei zu stecken oder auch an optimaler Stelle im Rumpf.
Bei der Gewichtsoptimierung habe ich irgendwann die Erfahrung gemacht das die Gebrauchstüchtigkeit nicht vernachlässigt werden sollte. Wenn alles am unteren Ende der Gewichtsskala gebau wird besteht immer das Risiko das ein Bauteil eher versagt und dadurch vielleicht ein Lauf nicht mit gesegelt werden kann. Das würde dann alle Vorteile zu nichte machen ;)


Gruß

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Re: Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #5Beitragvon Arne » 26.01.2014, 17:29


Die Mastlänge (Gewicht) und selbst der Segelschnitt (tieferer Flächenschwerpunkt) spielen eine Rolle für das aufrichtenden Moment. Auch das verwendete Material für die Segel kann berücksichtigt werden (Gewicht qm = 23g über 40g bis 70g).


Gruß

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Re: Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #6Beitragvon Admin1 » 26.01.2014, 17:36


Servus Martin,
interessante Überlegungen.
Der Weg zum schnellen Boot ist natürlich der Leichtbau. Jedes eingesparte Gramm kann dann ins Bleigewicht wandern und wird das aufrichtende Moment vergrössern. Oder -bei Leichtwind- mit entsprechend kleinerem Bleigewicht die benetzte Fläche verringern.
Die von dir in der Tabelle genannten Werte kann ich teilweise auch nicht nachvollziehen.
Arnes oben genannten Werte halte ich auch aus meiner Erfahrung für praxisbezogen. :tup:
Ich würde das ganze grob in 3 Teile (Anhänge-Rumpf-Rigg) unterteilen.
Natürlich werden sich ein paar eingesparte Gramms im Rumpf kaum auf das aufrichtende Moment auswirken. Beim Rigg hingegen sind 10g weniger schon eine Hausnummer. Auf der anderen Seite ist es mir beim Schwert relativ egal ob das nun 40g oder 50g wiegt.
Und bei all dem Leichtbauwahn :P ist die Zuverlässigkeit sehr wichtig. Was nutzt mir das leichteste (und schnellste?) Boot wenn es nach dem 3. lauf den Geist aufgibt und ich den Rest des Tages zusehen muss wie die anderen segeln.. Genau .. Nix! 8-)
Darum investiere ich gerne ein paar Gramm zusätzlich wenn es meiner Ansicht nach an dieser-und-jener Stelle sinnvoll erscheint.
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Re: Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #7Beitragvon Roland K. » 26.01.2014, 18:21


Da ist schon sehr vieles wichtiges zu gesagt, Arne und Andy haben ja auch schon das ein oder andere Boot gebaut. Leichtbau macht schon Sinn, aber nicht überall und auf Teufel komm raus.

Mal ein paar Tipps die mir spontan einfallen:

Zuverlässigkeit ist nochmal zu betonen. Also immer überlegen ob an der Stelle Leichtbau wirklich Sinn macht.
Ich verwende nach einigen Ausfällen jetzt z.B. ein Ruderservo mit 14g statt 8g.
Ich habe mal in meinem A-Rigg eine sehr dünnwandiges CFK Rohr für die Mastaufnahme verwendet, seit Frankreich sitzt da jetzt noch ein massives CFK Stück drin nachdem das ganze abgeknickt ist (zum Glück schon beim Trainingssegeln...).

Früher hatte ich einen schicken Magnetschalter, der ist in zwei Booten ein paarmal ausgefallen. Dann flog der raus, jetzt habe ich nur noch ein Verlängerungskabel wo der Akku angesteckt wird. 95% Unserer Rennen sind ja eh Eintagesregatten wo wir eh einen Lauf nach dem anderen fahren. Der Akku wird in der Mittagspause einmal gewechselt und ansonsten angelassen ich empfinde das nichtmal als Bequemlichkeitsnachteil.

Als meine 800mah Eneloops kaputt waren habe ich auf Lipo Akkus umgestellt, die wiegen z.B. 48g, zusammen mit dem 21g Segelservo und dem 14g Ruderservo ne recht leichte Kombination und tzrotzdem genug Kraft am Segelservo.

Aber auch andersrum (Gewicht rauf):
Früher habe ich die Boote nur mit Folie zugeklebt. Bei Kälte ein Krampf, häufig nicht richtig dicht. Teilweise dann auch mit ein bischen Wasser im Boot weitergefahren weil zu Faul die Folie aufzumachen.
Da empfinde ich den Pringelsdosendeckel als große Verbesserung auch wenn ein paar mehr Gramm bei rauskommen.

Die größten Fallen beim Leichtbau:

Viele machen aus einem ursprünglich leichten Rumpf doch noch ein schweres Boot. Jedes mal wenn Kleber/Epoxi angerührt werden sind das mindestens 10g Material. Wenn die am Ende irgendwo im Boot sind und das am besten 3-4 mal an verschiedenen Stellen kommen schnell 40g zusammen. Also immer ünerlegen bevor man klebt. Am einfachsten ist das wenn so wenig wie möglich Einbautiele da sind. Hier noch ne Versteifungg, dan noch zusätzliches Servobrett etc. Meist nicht unbedingt nötig...

Gruß Roland
Roland K.
 

Re: Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #8Beitragvon Cord » 26.01.2014, 20:05


:tup:

'nuff said...
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Re: Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #9Beitragvon MartinRheine » 26.01.2014, 20:14


Hallo zusammen !

Danke für die wertvollen Hinweise. Genau solche Angaben hatte ich mir erhofft, ich werde sie beizeiten einarbeiten.

Mir geht es mit der Auflistung nicht darum zu behaupten, dass ich jetzt den Leichtbau neu erfinde. Vielmehr wollte ich mein Gebastel besser einschätzen können: Was ist leicht und was ist schwer. Wie leicht geht es maximal usw.

Bisher ist mir schon klargeworden, dass ich Akkumäßig hinterm Mond gelebt habe. Wenn man dann noch die Servos aus der Betrachtung herausnimmt, bleiben ca. 10% Verbesserungspotential. Da wird die Luft natürlich schon dünn. Euren Berichten kann man auch entnehmen, dass ihr die Grenze zwischen Gewichtsreduzierung und Nachteilen für die Funktion schon ausgelotet habt, ich stehe da erst am Anfang.

Nochmal Danke für alle Anmerkungen und einen schönen Abend noch,
Martin.
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Re: Theorien zum Leichtbau

Beitrag: #10Beitragvon VeitHAM » 27.01.2014, 09:49


Moin,

1. Meine Reverenz den Praktikern!
Besonders den letzten Satz von Roland kann ich nur unterstreichen. Ich habe gerade das Gewicht einer Rumpfschale, weil ich die Oberfläche "verbessern" wollte, um 25g nach oben getrieben. Bei ~1650cm² Oberfläche sind das bloß 0,015g/cm², peanuts?
2. Martin, in Deiner Tabelle (ich beziehe mich mal auf die erste) berechnest Du doch das Massenmoment der einzelnen Komponenten um einen fiktiven Drehpunkt auf Höhe der CWL.
Die Gesamtmasse der Komponenten beträgt 852g; mit den jeweiligen Hebelarmen ab CWL (Vorzeichen!) ergibt sich ein Gesamtmoment von - 14852cmg. Das dividiert durch 852g ergibt, daß der Systemschwerpunkt 17,4cm unterhalb der CWL liegt. Also grob auf halber Länge des Schwertes, und da gehört er irgendwo auch hin.
Das gleiche Spiel mit der rechten Hälfte der Tablle, dann komme ich auf 21,2cm Systemschwerpunkt unter CWL. Soweit rein rechnerisch ein "Gewinn" von ~22%.
Das bestätigt die These: Gewicht gehöhrt nach unten.
Der aufrichtende Hebelarm ist nun abhängig vom Abstand Metazentrum und Gesamtschwerpunkt (Über den sin des Neigungswinkels). Bei den aktuellen schmalen Booten liegt MZ so 4 -5 cm über der CWL; bei Deiner breiten mare deutlich höher. Lage von MZ berechnet freeship
3. Vorschlag für einen Selbstversuch ( hab' ich von M. Scharmer)
Man baue auf dem Tisch ein kleines Podest (Bauklötze). Auf das Podest legt man einen sechskantigen Bleistift. Auf den Bleistift legt man mit dem Schwert das Boot "RTS" , so daß es in der Waage liegt.
Nun mißt man den Abstand Unterkante Boot bis Mitte Bleistift und hat ein Maß für den Systemschwerpunkt.
Nebeneffekt: man sieht auch gleich, ob und wie sich das Schwert unter Last durchbiegt.

Eure Ergebniss würden mich interessieren!
Bei mir: 1150g Gesamtgewicht, davon 620g Blei; SW 105mm unter Boot.

Gruß Veit
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