Stecher fahren

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Stecher fahren

Beitrag: #1Beitragvon diniiw » 28.02.2015, 08:08


Moin Leute,

nachdem ich nun die zweite Testfahrt mit der Banquish bei sehr guten 3 BFT ( in Spitzen etwas mehr ) und kabbeligem Wasser absolviert habe, bin ich über mein Boot etwas besser informiert.
Es ist eine kleine Umgewöhnung, ein Swing Rigg zu fahren.
Das Rigg sieht noch so aus: ( das Bild hab ich von Thomas stibitzt, Danke)

Nun ist mir allerdings aufgefallen, das die Banquish einen irren Hang zu Stechfahrten hat, ich bin teilweise bis zu 5 cm Mast über Deck unter Wasser gefahren, speziell bei Votwindkurs. Mir ist nicht klar, ob hier das Rigg schon zu groß ist, der Schwerpunkt des Bootes zu weit vorn ist, die Rigg Trimmung komplett daneben ist, oder das Schiffchen konstruktionsbedingt relativ wenig Auftrieb im Bug bietet. Dieses Phänomen kannte ich von meiner ehemaligen Seawind, die an diesem Problem litt. Allerdings hat dieses Verhalten hier zur sportlichen Auseinandersetzung mit dem Boot geführt, da ich hier lange geübt habe, um diesen Balanceakt der Lage im Wasser bei Beibehaltung der Geschwindigkeit zu realisieren.
Wie sind Eure Erfahrungen?

Gruß Dirk ( dessen GER 9262 noch unbefleckt ist! )
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Re: Stecher fahren

Beitrag: #2Beitragvon Roland K. » 28.02.2015, 08:52


Moin Dirk,

weil das sicher auch für andere ein interessantes Thema ist hole ich mal ein bischen weiter aus....


Als erstes muss man sich kurz klarmachen welche Kräfte eigentlich am Boot wirken.
Etwas vereinfacht haben wir zum einen das Segel das Vortrieb produziert und zum anderen Boot und Anhänge die bremsen. Bei normaler Fahrt balanciert sich das ganze aus und wir haben eine stabile Schwimmlage.
Fallen nun plötzlich Böen ein sollte das Boot natürlich schneller werden. Aber nicht immer kann alles an "Druck" im Segel auch in Speed umgesetzt werden, vor allem bei plötzlichen Böen ist da die Trägheit des Bootes und eben die Bremswirkung zu groß.
Passiert das ganze auf Amwindkurs ist es nicht so schlimm. Das ganze System aus Segel und Boot wirkt wie ein Pendel, das Boot legt sich durch den Winddruck auf die Seite wodurch die effektive Segelfläche reduziert wird und "Druck" abgelassen wird, lässt der Wind wieder nach richtet sich das Boot wieder auf. Ein gut austariertes Boot kann da in einem gewissen Rahmen daher ohne Eingriff von aussen den Winddruck regeln.

Auf Vorwindkurs sieht es nun nicht mehr ganz so gut aus. Das Segel treibt nach vorne, Boot und Kiel bremsen. Damit haben wir eine Drehwirkung mit Zentrum ca. im Mastfuss die die Bugspitze nach unten drückt wenn der Wind zunimmt. Das Boot "versucht" das gleiche wie auf Vorwindkurs, also den Druck auszupendeln und Segelfläche zu reduzieren. Aber dadurch das der Bug unter Wasser gedrückt wird nimmt die Bremswirkung rapide zu, die Situation verschlimmert sich also eher weil das Segel sich nur ein kleinem Winkel nach vorne neigt, also kaum Fläche reduziert wird.

Oder einfacher Stecher sind letzlich immer Situationen in denen der Winddruck nicht adäquat in Fahrt umgesetzt werden kann.

Methoden dagegen fangen beim Design des Bootes an, das Swingrigg ist allgemein anfälliger für Stecher, beim klassischen Rigg wird z.B. durch die Fock auch Auftrieb "nach oben" produziert was dem Abtauchen des Bugs entgegenwirkt. So sind die Swingriggboote z.B. Schmaler geworden wodurch sie weniger Bremswirkung produzieren, besser Beschleunigen und dadurch die Neigung zu Stechern reduzieren. Gleichzeitig wird mehr Volumen im Bugbereich platziert um ggfs. einen Gegendruck zum Tauchen zu erzeugen.

Soviel erstmal zur Theorie.
Roland K.
 

Re: Stecher fahren

Beitrag: #3Beitragvon Roland K. » 28.02.2015, 09:22


Was kann man nun dagegen machen? Design bringt ja nix mehr, das Boot ist ja fertig.
Ein ppar technische Dinge kann man aber schon verändern: als allererstes Gewichtstrimm. Bei RG65 ist es erlaubt den Akku zu tauschen und die Position zu verändern. Bei viel Wind sollte daher als erstes der Akku ganz nach hinten geschoben werden, teilweise wird auch gezielt ein schwererer Akku als normalerweise verwendet um das Boot aufs heck zu trimmen. Insbesondere wenn es auch auf Amwindkurs zu Stechern kommt ist das wichtig.
Etwas mehr Aufwand: mit verschiedenen Kielen experimentieren. Je länger der Kiel umso mehr Bremswirkung da muss man eine vernünftige Mischung zwischen Stecherneigung einerseits und Amwindleistung andererseits finden (vereinfacht je kürzer der Kiel umso schlechter die Amwindleistung).
Mehr Kielgewicht ist bei viel Wind sinnvoll. Spezielle Starkwindkiele haben z.B. das Blei nicht in der Mitte montiert sondern ganz weit vorne.


Wenn die Technik ausgereizt ist kommt die Fahrtechnik. Wie gesagt das Boot kann in gewissem Mass selber auspendeln, aber auch auf Amwindkurs ist der Pilot gefragt. D.H. in zu starken Böen mus smit dem Segel gearbeitet werden um durch auffieren Druck abzulassen. D.h. schoten dicht und einfach Segeln lassen funktioniert vielleicht in den großen Klassen, kleine Boote wie RG65 oder MM müssen aktiv gesegelt werden.
Auf Vorwindkurs ist der Spielraum des Piloten natürlich noch kleiner, hier kann nicht mehr gefiert werden. Also gehts andersrum, gezieltes Dichtholen um die Segelfläche zu verkleinern. Bei dauerhaft zu starkem Wind auch mal nicht die optimale Segelstellung wählen sondern die Fock "hinterm dem Groß verstecken".
Das mit dem gezielten Dichtholen ist nicht ganz einfach weil es schwierig ist den Kurs zu halten, das ist also Übungssache.
Wichtig ist auch vorausschauend zu fahren. Also Windböen rechtzeitig zu sehen und schon kurz bevor die Böe ankommt dichtzuholen, wenns erstmal richtig drückt ist es meistens schon zu spät.... also immer das Wasser beobachten.
Gleichzeitig auch die Wellen im Blick behalten. Taucht man mit dem Bug in die Welle wird die Bermswirkung natürlich größer, also auch hier schon kurz vorher dichtholen, sitzt man auf dem Wellenrücken kann man dagegen auch mal voll aufmachen um den Schwung mitzunehmen.
Und wenn gar nichts mehr geht muss man zur Not auch auf Raumschotkurs ausweichen und vor dem Wind kreuzen, ist z.T. nicht zwingend langsamer.

Zum Schluss noch was zur Banquish: die ist eigentlich kein Boot das für Swingrigg entworfen wurde, hat daher sicher auch beim mehr Wind damit mehr Stecherneigung als andere. Bei wenig Wind funktioniert das aber sehr gut, ich bin einmal bei wenig Wind gegen Thomas mit dem Boot geseglet und war beindruckt. Die optimale Lösung für das Boot wäre daher eine Schotführung mit der beide Riggarten gefahren werden können, bei wenig Wind Swing und bei mehr Wind klassisches Rigg, ist übrigens sowohl bei RG65 v.a. in England sehr üblich und wird auch bei den großen M-Booten so verwendet.

Gruß Roland
Roland K.
 

Re: Stecher fahren

Beitrag: #4Beitragvon diniiw » 28.02.2015, 10:24


Danke Roland für deinen sehr anschaulichen, nachvollziehbaren und damit lehrreichen Kommentar! ich war also nicht ganz auf dem Holzweg mit meinen Überlegungen.
Das Verschieben des Schwerpunktes werde ich bei nächster Gelegenheit umsetzen, auch mit den Gewichten des Akku Packs kann ich variieren. Ich habe allerdings auch die berechtigte Hoffnung, das mit dem neuen Swing Rigg von Arne noch positive Veränderungen zu erzielen sind.
Sicherlich macht es auch dann erst Sinn, sich über Feineinstellungen Gedanken zu machen, wenn es da ist und somit das Gesamtsystem dann komplett ist.
Wie gesagt, dieses Boot soll der Einstieg in die Klasse sein, also genau richtig, um erste Erfahrungen zu sammeln. Momentan kann ich mir noch nicht so richtig vorstellen, im Pulk, also auf einer Regatta zu segeln! Ich bekomme ja keine Punkte für`s Versenken der Kollegen!

Gruß Dirk ( der auf den Mittag wartet, es soll ja eine Mittagshitze bei 6 Grad geben )
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