Segelschnitte / Segeldesign

Moderator: Uwe

Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #1Beitragvon haegar » 11.10.2011, 22:57


Hallo,
die Profilschablone wird ja schon behandelt, vielleicht sollten wir auch mal grundsätzlich über Segeldesign diskutieren...

Nur mal um anzufangen, hier mein Vorgehen:

- für ein widerstandsarmes Segelprofil braucht man eine elliptische Auftriebsverteilung entlang der Vertikalen, d.h. an den beiden Segelenden (Top und Fußliek) braucht man möglichst Null Auftrieb, es sei denn man hat eine Endplatte (Winglet). Damit verhindert man einen "Kurzschluss" zwischen Druck- (Luv) und Sog- (Lee) Seite des Segels, der viel Energie in eine Wirbelschleppe umsetzt. Der Rumpf kann die Funktion einer Endplatte übernehmen (wenn der Spalt zwischen Segel und Deck klein genug ist). Am Top macht man das über eine Kombination von Segelform, Profil und Twist. Am Fußliek kann man zusätzlich auch das Profil rausnehmen (Unterliekspannung) und es kürzer machen

- bei Leichtwind benötigt man den Druckpunkt eher oben, bei mehr Wind eher unten. Im ersten Fall will man möglichst weit weg von der Wasseroberfläche - da weht mehr Wind, im zweiten Fall soll die Kraft möglichst weit unten wirken (weniger Hebel, weniger Krängung)

- da sich Wirbelverluste im Top nie ganz vermeiden lassen, sind die obersten 15% eines klassischen Dreiecksegels nahezu wirkungslos (lt. Marchaj). Konsequenz - Fat Head Segel, die modernen Nachfahren der alten Kurzgaffel-Segel

- der Auftrieb eines Profils hängt von der Sehnenlänge ab. Schmalere Segel bieten mehr wirksame Fläche, breitere Segel erzeugen mehr Auftrieb pro Fläche- Aber es gilt auch, ein Segel mit größerer Streckung ist effektiver als eine gedrungeneres Segel (der rel. Anteil der Wirbelverluste an den Enden wird kleiner). Wo liegt das Optimum?
(ACHTUNG! die Flieger sagen zur Sehenlänge Profiltiefe und zur Profiltiefe Profildicke - nur um Missverständnisse zu vermeiden!)

- ein tiefes Profil erzeugt viel Power, ein flaches weniger viel. Ein Profil mit der größten Tiefe weiter vorn ist erheblich gutmütiger zu segeln, als eines mit einer größten Profiltiefe bei 50% oder noch etwas weiter hinten (sog. Laminarprofile). Unter bestimmten Voraussetzungen (gleichmäßiger Wind und Glattwasser) ist die zweite Variante schneller - bei den Großen. Wie ist das bei uns? Manche sind auch mit "Brettsegeln" immer ganz vorn mit dabei. Es gibt Aussagen, dass in unseren Re-Bereichen ein Segelprofil gar nichts bringt. (Mir ist allerdings die Quelle nicht bekannt.)

- ... da fehlt sicher noch einiges

Was ist beim Design also zu tun?

Festlegen der Flächenaufteilung (abhängig vom Rumpfdesign und den Anhängen) - peile ich meist über den Daumen. Bei schmalen Booten ist der Segeldruckpunkt rel. zum Lateralschwerpunkt weiter hinten als bei breiten Booten. Schmale Boote benötigen also entweder kleinere Vorsegel oder großen Mastfall.
Festlegen der Vorliekslängen abh. von gewählten Windbereich (A eher länger, A1 etwas kürzer, ... )
Festlegen der Unterliekslänge und der Kopfbreite- Ich bevorzuge bisher Kopfbreiten um die 50mm, bis ca. 70mm scheinen die Dinger auch ohne beweglichen Ausleger oben beherrschbar zu sein
Anpassen der Fläche über die Achterlieksrundung - Für leichten Wind der größte Wert eher oben, für mehr Wind weiter unten und eher gerade. Ev. müssen LIeklängen nachkorrigiert werden, wenn es anders nicht passt.
Profil - da wir nicht auf unseren Booten sitzen und der Trimm dadurch eh nie richtig stimmt, ist m.E. die genaue Profilform unkritisch. Das Gesamtprofil muss halt glatt sein und man muss den Trimm so hinbekommen, dass möglichst häufig möglichst große Teile des Segels halbwegs brauchbar ziehen. Insbesondere der vordere Teil des Großsegels ist dabei ziemlich egal, da im sog. Fockspalt eine reduzierte Strömungsgeschwindigkeit herrscht und dieser Teil des Großsegels kaum zum Vortrieb beiträgt (deshalb ist auch ein leichter Gegenbauch im Großsegel unkritisch, wie jeder Cupper beweist - zumindest bei den Großen).
Vorliekskurve - die muss zum Mast passen, sonst gibt es Falten. Insbesondere bei den unverstagten Masten führt eine nicht optimale Vorliekskurve gern zu Überbiegungsfalten - nicht durch zu hohe Achterstagspannung, sondern durch seitliches Wegbiegen des Masts. Das kriegt man auch nur schwer bis gar nicht weggetrimmt.

In diesem Parameterraum muss man optimieren, wobei die Vorlieben des Skippers mit eine Rolle spielen.

Systematisch probieren und Testen kann ich nicht, bei meinen Designs ist daher viel Bauchgefühl dabei. Btw, ich benutze für das Grunddesign Sailcut. ImMaßsstab 10:1 erledigt das die Flächenberechnung mit hinreichender Genauigkeit, Außerdem spuckt das Programm die Bahnenschnittmuster aus.
Gruß aus Teltow
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Re: Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #2Beitragvon Roland K. » 12.10.2011, 09:08


Was sagt die Theorie denn zur Fock?

Als Musterbeispiel mal die klassische Dreieckige.
Dann sehe ich öfter Varianten mit abgeschnittenem Top, also ähnlich dem Flattopsegel beim Groß.
Und dann gibts ja auch noch Konstruktionen wo die Fock bis ganz oben auf höhe des Groß gezogen wird.

Also Frage: reicht auch eine dreieckige Fock mit oben dann kurzer Sehnenlänge weil z.B. der Vorflügeleffekt auch dadurch erzielt wird. Und bringt es was die ganze so hoch zu ziehen?
Roland K.
 

Re: Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #3Beitragvon Admin1 » 12.10.2011, 09:24


Servus,
ich würde vermuten das eine höhere Fock vorteilhaft ist.
Vielleicht nicht bis 100% aber 90% höhe und dafür ein etwas breiterer Kopf. (25mm - 30mm)
Der 'Vorflügeleffekt' würde damit auf das ganze Groß ausgedehnt.
Als Ergebnis denk ich könnte man dann im Groß weniger Twist fahren und so vielleicht etwas mehr Höhe machen?
- Sind nur so meine Gedanken dazu .. ACHTUNG gefährliches Halbwissen! :)
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Re: Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #4Beitragvon haegar » 12.10.2011, 16:35


Hallo,
eine hochgezogene Fock hat zwei Vorteile
- höhere Streckung = effektiveres Segel
- Vorflügeleffekt über die ganze Vorlieklänge des Großsegels=weniger Twist im Großsegel nötig

Aber, der Mast ist dann schlechter trimmbar. Mann kann nicht mehr über das Achterstag biegen. Er kann sogar in der Mitte nach hinten durchsacken.

Ansonsten, Groß und Fock spielen immer zusammen, sind immer als Einheit zu sehen. Insofern glaube ich nicht, dass ein breiter Vorsegelkopf was bringt. Ich erwarte eher, dass er kontraproduktiv ist, da er einen richtigen "Kurzschluss" zwischen Druck und Saugseite bei der Fock erst ermöglicht. Beim dreieckigen Vorsegel geht das Gesamtprofil halbwegs glatt in das Großsegel über, beim breiten Kopf gibt es eine deutliche Stufe.

Hier gilt aber auch bei mir: GEFÄHRLICHES HALBWISSEN! Ich habe dazu noch nirgendwo etwas Fundiertes gelesen.
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Re: Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #5Beitragvon Helmut » 10.01.2012, 18:04


Guten Tag!
Ich möchte meine ersten Riggs anfertigen und hatte, um nicht bei Punkt 0 anfangen zu müssen, eine Liste mit Zeichnungen und Bemaßungen für die verschiedensten Segelpläne (A, B, C für Swing u. konvetionell) gefunden. - Die ist jetzt nicht mehr auffindbar!! Wer hilft mir auf die Sprünge!?
Helmut.
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Re: Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #6Beitragvon VeitHAM » 10.01.2012, 22:24


moin,

meintest Du eventuell das hier:

http://www.x-sail.de/wb/pages/plaene/rg ... hnitte.php

Da mußt Du Dich ggf. an Arne, X-sails wenden.

Gruß Veit
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Re: Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #7Beitragvon weha » 11.01.2012, 16:27


Frage an die Experten ?

Bin mir nicht mehr sicher, je mehr ich überlege:
Ist es sinnvoll bei einem 80cm Rigg noch die volle Segelfläche zu bauen ?
Am Vorwindkurs könnte man es brauchen, aber auf der Kreuz ?

Vielleicht gibts da schon Erkenntnisse oder hats jemand probiert ?
Experten vortreten !

Besten Dank
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Re: Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #8Beitragvon haegar » 11.01.2012, 17:11


Helmut hat geschrieben:Guten Tag!
Ich möchte meine ersten Riggs anfertigen und hatte, um nicht bei Punkt 0 anfangen zu müssen, eine Liste mit Zeichnungen und Bemaßungen für die verschiedensten Segelpläne (A, B, C für Swing u. konvetionell) gefunden. - Die ist jetzt nicht mehr auffindbar!! Wer hilft mir auf die Sprünge!?
Helmut.


Hallo, Helmut,
Schau mal unter TL-Sails hier in diesem Unterforum. Da hat Tobi seine Swingriggs veröffentlicht.
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Re: Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #9Beitragvon haegar » 11.01.2012, 17:13


weha hat geschrieben:Frage an die Experten ?

Bin mir nicht mehr sicher, je mehr ich überlege:
Ist es sinnvoll bei einem 80cm Rigg noch die volle Segelfläche zu bauen ?
Am Vorwindkurs könnte man es brauchen, aber auf der Kreuz ?

Vielleicht gibts da schon Erkenntnisse oder hats jemand probiert ?
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Hallo, Werner,
Das kann u.U. bei Wind Sinn machen, da der Druckpunkt weit nach unten rutscht. 80cm sind aber schon arg kurz ...
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Re: Segelschnitte / Segeldesign

Beitrag: #10Beitragvon weha » 11.01.2012, 18:14


Hallo Achim

Ich denke 80 cm ist noch nicht zu klein, aber
auf der Kreuz hab ich mehr als 45 Grad Krängung und mehr, dadurch rel. weniger Vortrieb und
am Vorwind könnte ich mehr Schub vertragen, es taucht noch lang nicht ab wenn man aufpasst.

Eigentlich kann ich ja nur die Unterlieks verlängern um auf die Maximalfläche zu kommen.
Welche negativen Eigenschaften erkaufe ich dabei ?

Nichts als Fragen und Unsicherheiten
Gruß
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